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aus gkf Info 46

Neues gkf-projekt

Abwehrschmerzen

Die starken Schmerzen bei Bandscheibenvorfällen können

durch Entzündungen entstehen, die beim Menschen teil-

weise von besonderen Zellen des Abwehrsystems, den

Th17-Zellen, ausgelöst werden. Herkömmliche Schmerz-

medikamente können in diesen Fällen den Patienten nur

eingeschränkt Linderung verschaffen. Annika Kämpe un-

tersucht unter Anleitung von Andrea Tipold an der Tierärzt-

lichen Hochschule Hannover, ob die Th17-Zellen bei Hun-

den mit Bandscheibenvorfällen eine ähnliche Rolle bei der

Entstehung von Entzündungen und Schmerzen spielen.

Die Studie kann möglicherweise zur Verbesserung der

Prognose und zur Entwicklung neuer Therapieansätze bei-

tragen.

Der Bandscheibenvorfall beim Hund ist im Volksmund

auch als Dackellähme bekannt. Tatsächlich gehören

Dackel und andere chondrodystrophe Tiere zu den Risiko-

gruppen für diese Erkrankung der Wirbelsäule. Doch auch

andere Hunde können einen Bandscheibenvorfall erleiden.

In der Wirbelsäule liegen die Bandscheiben als stoßdämp-

fende Verbindungsstücke zwischen den Wirbelkörpern.

Sie bestehen aus einem gallertigen Kern, dem Nucleus, ei-

nem festen Faserring aus Bindegewebe. Von einem Band-

scheibenvorfall spricht man, wenn sich ein Teil der Band-

scheibe in den Wirbelkanal vorwölbt und ihn einengt.

Längsschnitt durch die Wirbelsäule

Schematische Darstellung von Bandscheibenvorfällen mit enthaltenem

Faserring und mit gerissenem Faserring. Die Entzündung (rot/orange) ist

wahrscheinlich maßgeblich an den Schmerzen und dem weiteren Verlauf

der Erkrankung beteiligt. (B. Welsch)

Im Wirbelkanal liegt das empfindliche Rückenmark. Das

Rückenmark besteht aus Nervengewebe und ist die Da-

tenautobahn des Organismus: Alle Empfindungen des

Körpers wie Berührung, Temperatur oder Schmerz werden

auf ihr zum Gehirn weitergeleitet. Umgekehrt schickt das

Gehirn Befehle zur Muskelbewegung über das Rücken-

mark an die entsprechenden Muskeln. Das Rückenmark

kann auch selbst bestimmte Muskelbewegungen, zum Bei-

spiel bei Reflexen, steuern.

Bei einem Bandscheibenvorfall reißt entweder der Faser-

ring und der Kern drückt direkt auf die Nervenbahnen oder

der Bindegewebsring wird weich und vom Gallertkern in

Richtung Rückenmark geschoben. Ein Bandscheibenvor-

fall kann das Rückenmark auf verschiedene Weise schädi-

gen und so zu Schmerzen, sensiblen und motorischen

Ausfällen führen. Man unterscheidet fünf Schweregrade

des Bandscheibenvorfalls von Grad 1 mit Berührungsemp-

findlichkeit des Rückens, Schmerzen und Bewegungsun-

lust bis hin zum schwersten Grad 5 mit vollständiger Läh-

mung und dem kompletten Ausfall von Empfindungen in

den betroffenen Körperteilen. Tiere mit schweren Band-

scheibenvorfällen müssen operiert werden. Nicht immer

kann eine Heilung der Hunde erreicht werden.

Schädliche Entzündung

Neben einer mechanischen Schädigung des Rückenmar-

kes aufgrund eines Bandscheibenvorfalls vermutet man,

dass auch Entzündungsprozesse den weiteren Verlauf der

Erkrankung mitbestimmen und für die Schmerzen verant-

wortlich sind. Beim Menschen weiß man darüber hinaus,

dass die Entzündungsprozesse bei Bandscheibenvorfällen

nicht von „normalen“ Abwehrzellen, sondern von Th17-

Zellen gesteuert werden. TH17-Zellen sind besondere T-

Helfer Zellen aus der Familie der Lymphozyten. Sie haben

ihren Namen von dem Botenstoff Interleu 17 (IL-17), den

sie bilden und ausschütten. IL-17 löst Entzündungen aus,

indem es andere Abwehrzellen (neutrophile Granulozyten)

aktiviert. Ursprünglich sind Entzündungen ein wichtiger

Teil der natürlichen Abwehr von Krankheitserregern und

körperfremden Substanzen. Die Entzündungsprozesse

können sich jedoch auch verselbständigen und so krank-

machend wirken.

Tatsächlich hat man ein vermehrtes Vorkommen von Th17

-Zellen auch bei einigen Autoimmunerkrankungen festge-

stellt. Als Autoimmunerkrankungen bezeichnet man alle

Krankheiten, bei denen das Abwehrsystem körpereigene

Struktur fälschlicherweise als Fremdkörper ansieht und da-

her angreift. Autoimmunerkrankungen sind schwierig zu

behandeln.

Beispiel für einen ELISA mithilfe einer Microtiterplatte. Die unterschiedli-

che Farbintensität in den Microröhrchen zeigt unterschiedliche Konzen-

trationen des gesuchten Stoffes an.

(commons.wikimedia BiotechMichael)